Wenn man heute von sozialen Netzwerken spricht, dann denkt jeder an einen virtuellen Raum, der von Onlinediensten angeboten wird. Es existiert allerdings auch ein „echter“ Raum, der die Möglichkeit bietet Informationen auszutauschen und Beziehungen aufzubauen, eine sog. Gemeinschaft des Ortes – die Nachbarschaft.
Das Internet hat unserer Gemeinschaftsbildung in den letzten Jahrzehnten den Spiegel vorgehalten.
Von einem ursprünglichem Werkzeug für tugendhaftes Streben nach Bildung und Zugang zu Information wurde es zu einer kommerzialisierten Maschine für Selbstdarstellung und Macht.
Die Menschen haben sehr schnell erkannt, dass man zunächst an Informationen gelangen, dann aber selbst Spuren hinterlassen und seine Selbstdarstellung beliebig verwalten kann. Menschen können einem folgen und je mehr Follower, umso mehr Reichweite und Macht hat man. Die Grenzen verwischen zwischen Sein und Schein, zwischen Fakten und Inszenierungen. Warum geht man online? Warum folgt man einer Person?
Ist es nicht absurd, dass man online mit hunderten oder gar tausenden von Menschen vernetzt ist, aber in der eigenen Straße die Nachbarn nicht kennt?
Gerade in „Social-Distancing“ Zeiten wird einem bewusst, dass unsere zwischenmenschlichen Beziehungen nicht ausschließlich über digitale Medien laufen können. Jemanden nur zu sehen und zu hören ist nicht menschlich. Erst durch das Riechen, Tasten und Schmecken wird unsere Wahrnehmung komplett und das Erlebnis „echt“.
Mitgefühl entsteht in Räumen, die wir uns teilen. Wir begegnen uns in Straßen und auf öffentlichen Plätzen. Wir leben zwischen Häusern und nicht zwischen Bildschirmen.
Wir haben letztes Jahr in diesem Sinne in unserer Straße ein Fest organisiert, um die Nachbarn kennenzulernen. Die letzte Feier fand 1985(!) statt. Die Nächste wird definitiv nicht so lange auf sich warten lassen, darauf waren sich alle einig.
Es lebt sich am besten in Straßen mit einer menschlichen Vernetzung und nicht der besten Internet Verfügbarkeit.