Architektur macht Schule

Was wäre, wenn…?
„Ideale Bürgerbeteiligung beginnt mit der idealen Stadtverwaltung. Die ideale Stadtverwaltung schätzt ihre Bürgerinnen und Bürger ungemein: als Wissens- und Inspirationsquelle und als Mitentscheidungsgremium.
Die betreuenden Mitarbeiter sind offen für Neues, lieben flexible Prozesse und tragen mutige Ergebnisse aus voller Überzeugung mit. Die ideale Stadtverwaltung führt daher regelmäßige Partizipationsverfahren durch. Die Verfahren sind ergebnisoffen, der Spielraum für die Beteiligung ist klar definiert. Es geht nicht um reine Planauslegung, nicht um Pseudobeteiligung, nicht um das Sammeln utopischer Wünsche. Es geht um echte partizipative Arbeit an einer realen Aufgabe – mit dem Ziel, den schönsten gemeinsamen Nenner zu finden.“
* Auszug DAB 10I20, S.32: Prof. Dr.-Ing. Florian Kluge „Wie funktioniert die ideale Bürgerbeteiligung“


In Anlehnung an die Gedanken von Herrn Kluge haben wir versucht seine Vision für eine ideale Stadtverwaltung auf eine entsprechende Schulverwaltung zu übersetzen.

In Zusammenarbeit mit dem Ubbo-Emmius-Gymnasium Leer wählen wir den Bedarf und die Gründung einer Schulcafeteria am Ostersteggebäude als reale Aufgabe. Hierfür soll ein ehemaliger Musikraum umgenutzt werden.
Schüler einer 10. Klasse beteiligen sich an dieser Maßnahme und werden von zwei engagierten Lehrern betreut. Wir nehmen als Architekt eine unterstützende Rolle ein, indem wir den Prozess strukturieren und Werkzeuge und Methoden anbieten, die bei ihren Entscheidungen und Bewertungen helfen sollen. Dabei sollen die Teilnehmer zunächst für das Anliegen sensibilisiert werden. Hierfür sollen sie in kleinen Arbeitsgruppen ein Arbeitsmodell von dem Raum erstellen. Wand, Boden, Decke, Fenster etc. werden erfasst und hinterfragt. Durch das Ergreifen des Raumes anhand eines Modells, begreifen sie die Geschichte des Raumes, bevor sie diese umschreiben und eine Neue erzählen.
Jeder Schüler hat eine andere Geschichte in seinem Kopf, die gespeist wird von Erinnerungen, Wünschen und Hoffnungen. Dieser Geschichte dürfen sie mit dem Modell Ausdruck verleihen und lernen sie in der Gruppe zu präsentieren und zu verteidigen. Im Diskurs bieten wir in der Rolle als Moderator Kriterien an, wie z. Bsp. Funktionalität, Zeit und Wirtschaftlichkeit, die ihnen dabei helfen sich anzunähern.
Die bunten gebastelten „Modellgeschichten“ werden als konkrete Ergebnisse präsentiert und dokumentiert.
Als nächsten Impuls unsererseits dürfen Sie den Musikraum als Modell im Maßstab 1:1 nutzen und ihre erarbeiteten Entwurfsbausteine wie Durchbrüche, Möbel etc. an Wand und Boden mit Kreide, Klebeband und Schnur markieren. Ihre Visionen werden direkt sichtbar. Sie nehmen wahr, dass sie etwas verändern können, dass ihre Gedanken etwas zählen.
Andere Dinge brauchen mehr Zeit, da Fachkräfte nötig sind, die professionelle Pläne erstellen bzw. die Ausführung übernehmen müssen. Das Ergebnis ist dafür ideal, weil es von den Schülern gemeinsam mit der Schulleitung erarbeitet wurde und Schritt für Schritt Realität wird. Ihre Geschichten werden analysiert und in konstruktive Teile des Konzeptes übersetzt. Es entsteht Identifikation und Akzeptanz.

Menschen kooperieren, wenn sie einander vertrauen. Sie vertrauen einander, wenn sie an die gleiche Geschichte glauben. Gibt es diese gemeinsame Geschichte nicht, dann ist das Potential für Misstrauen und negative Blicke sehr groß. Eine gemeinsame Geschichte ist das Leitbild für Bewertungs- und Entscheidungskriterien.

Was wäre, wenn diese Kinder, anstatt in großen Hallen und sozialen Netzwerken verzweifelten Bürgermeistern gehässige Worte ins Gesicht zu schleudern, zu Menschen mit einem liebevollen und reflektierenden Blick heranwachsen, die sich eher für ein Dafür als ein Dagegen des öffentlichen Raumes einsetzen und diesen mitgestalten?
Was wäre, wenn man den öffentlichen Raum Akteuren anvertraut, die eine Stadt lesen können und die Vokabeln beherrschen die Geschichte einer Stadt zu beschreiben und umzuschreiben, und das für Menschen und nicht nur für Investoren?
Was wäre, wenn …?